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Samstag, 18. Januar 2014

Von Siem Reap nach Phnom Penh



"Der Bus fährt um 8:30 Uhr ab, das heißt du musst um 7:30 Uhr abfahrbereit sein," klärt mich Frank, mein Gastgeber in Siem Reap auf. Ich soll mit einem Minivan zum großen Bus gebracht werden, aber der kann mich entweder als erstes oder auch als letztes oder aber auch irgendwo in der Mitte einsammeln. Er holt mich als letztes ab... Denke ich zumindest, denn als der Minivan vorfährt ist dieser voll. Übervoll. Ich öffne die Tür und quetsche einfach mal die drei Jungs, die die vordere Bank besetzen, auf ein Drittel ihres Ursprungsvolumens zusammen und machs mir bequem. Mit ner halben Arschbacke auf dem Polster, mit der anderen auf dem unverschiebbaren Plastikding, wo der Sicherheitsgurt reingehört (den es natürlich nicht gibt). Der Fahrer schaut uns entschuldigend an und rattert sein Mantra runter: "Just five minute drive. Big bus. Just five minute. Big bus."



Mir fällt ein Beat dazu ein und ich hab Bock einen Track zu produzieren. Der könnte dann mit auf meine Kambodscha-Compilation auf der auch noch folgende Songs erscheinen:
1. Hey Lady, Tuk Tuk, Lady?
2. Wanna buy something, Lady?
3. Massage, massaaage, one dollar, Lady?
4. Want necklace? make you very good price!
Dazu wünsche ich mir agressive Dup Step-Ausraster. Müsste vielleicht mal Skrillex oder Aphex Twin anfragen.
Noch bevor die fünf Minuten um sind, halten wir vor einem weiteren Hotel und müssen noch zwei Mädels einladen. Von uns ist keiner erst seit gestern in Asien unterwegs, deswegen stapelt die Busgemeinschaft gekonnt die Rucksäcke auf Schultern, Schöße, Köpfe und die Mädchen setzen sich übereinander auf einen halben Sitz. Weiter gehts... Nämlich genau 100 Meter. Der Busfahrer hat mit aller Ruhe gewartet bis wir den ganzen Bus umstrukturiert haben um dann noch genau 10 Sekunden zu fahren. Beim Aussteigen stellen wir alle fest, des jeder Einzelne im Bus im Fußwegumkreis der Bushaltestelle gewohnt hat. Für nen 8 $ Bus ziemlich ambitioniert uns trotzdem abzuholen.

Der Bus ist schäbig. Nicht mein erster asiatischer Reisebus, aber mein erster kambodschanischer. Die Sitzflächen auf meinem reservierten Sitzplatz sind unbezogen, also bestehen nur aus gelbem Schaumstoff, der dazu noch aufgeplatzt ist. Das ist ja nun so schon gar nicht mal so schön, aber mit den Krümeln in den Kratern meines Schaumstoffes und der leichten Feuchtigkeit des Sitzes, wird es auch nicht schöner. Macht aber gar nichts, merken mein Sitznachbar und ich schnell, denn die Sitze sind keineswegs in irgendeiner Form befestigt. Wir schnappen uns die Dinger und tauschen sie einfach mit zwei nicht ganz so ekligen Exemplaren und ab geht die Post. Später wird der Bus noch mit Locals aufgefüllt, also kriegt leider jemand unsere ausrangierten Sitze ab. Aber die sinds auch nicht anders gewöhnt. Isso.

Die Fahrt war dann überraschenderweise nicht doppelt so lang wie angesetzt und hat etwa 7 Stunden gedauert. Die Straße nach Phom Penh ist für kambodschanische Verhältnisse sicher gar nicht so schlecht. In den meisten anderen Ländern, würde sie allerdings nicht mal als Straße deklariert werden. Unser Bus ist eine ganz schöne Schüttelkiste und die losen Sitze sorgen dafür, dass die sieben Stunden zu einem recht anstrengenden Bauch-Beine-Po-Training mutieren.



Langweile kommt während der Fahrt aber auch aus einem anderen Grund nicht auf. An der großen Straße, die die beiden Touristenzentren verbindet, ist eine ganze Menge los. Mal sind es Reisfelder und Bauern, Volleyball spielende Schüler, Family Life in den Vorhöfen der Häuser (und an und bei auch in den Vorhöfen der Hölle, einige der Vorgärten versinken regelrecht in Müll, verklebtverkletteten Hunden und Katzen). Hauptsächlich überwiegen aber die schönen Bilder von spielenden Kindern und idyllischen Dörfern. Gefühlt tragen etwa 85 Prozent der Frauen und Kinder, die ich sehe Schlafanzüge. Der Jogger des Khmers.



Am meisten gibt es bei der Einfahrt in Phnom Penh zu sehen. Die Ausläufer bieten so viel Spektakel, dass ich mir gerne ein Fahrrad mieten und dort noch einmal langfahren würde um in Ruhe zu gucken. Viele Dinge verstehe ich auch gar nicht so schnell. Weil das, was die Leute da am Straßenrand machen, ergibt nicht immer sofort einen Sinn. Leider müsste ich eine Fahrradfahrt hier mit dem Leben bezahlen und deswegen fällt der Spaß mit dem Zurückfahren aus. Vor allem eindrucksvoll fand ich die achthundertsiebenundzwanzigtausend Motorräder, die auf angebauten Ladeflächen bis zu dreißig Menschen aus der Stadt gekarrt haben. Am Stadtrand gibt es so einige große Fabriken in denen die Menschen aus den umliegenden Gegenden leben und dahin zu Feierabend anscheinend gern zurück möchten. Der Verkehr nach Dienstschluss ist Wahnsinn.



Trotzdem haben wir es irgendwann in den Kern der Stadt geschafft. Als ich aus dem Bus steige, hör ich im Geiste meinen Beat, als 20 Jungs auf mich zueilen und im Kanon die Hookline geben: "Tuk Tuk, Lady, Tuk Tuk, need Tuk Tuk, Lady? Tuk Tuk."